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| autor = Red. [Winfried Hofinger]
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| medium = Tiroler Bauernzeitung [[Kategorie:Tiroler Bauernzeitung]]  , Landwirtschaftliche Blätter
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| medium = Tiroler Bauernzeitung   , Landwirtschaftliche Blätter
| texttyp= Interview
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| erscheinungsdatum= 6. September 2001
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LWB: Würden Sie nach 35 Jahren Tätigkeit in der Interessenvertretung der Landwirtschaft sagen, dass Tirol ein Bauernland ist?
LWB: Würden Sie nach 35 Jahren Tätigkeit in der Interessenvertretung der Landwirtschaft sagen, dass Tirol ein Bauernland ist?
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Hofinger: Es wird von den Nicht-Bauern oft gesagt und auch beklagt, dass die Bauern gemessen an ihren 5 Prozent viel zu viel Einfluss hätten. Aber es gehört ihnen doch ein sehr großer Anteil an Grund und Boden. Das allein ist schon eine Begründung dafür, dass sie mehr zu sagen haben als andere. Und, wenn man von den Städten absieht, dann ist das Land doch nach wie vor sehr stark land- und forstwirtschaftlich geprägt. Gott sei Dank. LWB: Vor 35 Jahren waren noch 20 Prozent Bauern - heute sind es noch 5 Prozent. Das signalisiert eine sehr starke Veränderung in diesem Bild; was hat sich dort verändert? Hofinger: Früher waren in den Dörfern fast alle Bauern, bis auf ein paar Handwerker, den Doktor, den Lehrer und den Pfarrer. Heute gibt es in vielen Dörfern nur mehr ganz wenige Vollerwerbler, während die anderen nur noch von ihren Großeltern wissen, dass diese einen Bauerhof bewirtschafteten. Viele Nebererwerbler erzielen aus ihren meist sehr kleinen Höfen nicht nur kein Einkommen, sondern sie stecken womöglich das, was sie als Maurer oder Kraftfahrer verdienen, in den Kauf einer landwirtschaftlichen Maschine. Es fand eine Reduktion auf wenige statt. Daneben gibt es eine immer größer werdende Gruppe von Leuten, die noch um ihre Wurzeln wissen, und die an ihrem bissl Grund und Boden sehr stark hängen und das unter gar keinen Umständen aufgeben wollen. Im Westen Tirols gibt es eine sehr starke Bindung an die Agrargemeinschaften; diese Anteilsrechte werden mit Zähnen und Klauen verteidigt, oft stärker als ein privater Zipfel Wald.
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Hofinger: Es wird von den Nicht-Bauern oft gesagt und auch beklagt, dass die Bauern gemessen an ihren 5 Prozent viel zu viel Einfluss hätten. Aber es gehört ihnen doch ein sehr großer Anteil an Grund und Boden. Das allein ist schon eine Begründung dafür, dass sie mehr zu sagen haben als andere. Und, wenn man von den Städten absieht, dann ist das Land doch nach wie vor sehr stark land- und forstwirtschaftlich geprägt. Gott sei Dank.  
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Von einem durchschnittlichen Betrieb vor 100 Jahren - wir haben gebietsweise geschlossene Höfen von unter zwei Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen - kann man heute nicht leben. Die Flächenerstattung ist bei uns der Minimumfaktor. LWB: Sie sind nicht nur ein Spezialist für Waldwirtschaft, sondern haben viele Jahre journalistisch für die Kammer gearbeitet. Gibt es auch im Journalismus für Sie Veränderungen?
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LWB: Vor 35 Jahren waren noch 20 Prozent Bauern - heute sind es noch 5 Prozent. Das signalisiert eine sehr starke Veränderung in diesem Bild; was hat sich dort verändert?  
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Hofinger: Allein in der Technik sind riesige Veränderungen vor sich gegangen. Vor 35 Jahren wurde die Zeitung noch in Blei gegossen. Und das neue Landesstudio Tirol wurde noch als Hörfunkstudio gebaut. Der Journalismus ist insgesamt schreiender, lauter geworden. Man sagte etwas den Zeitungen, und diese hatten das gefälligst abzudrucken. Heute werden Dinge, die wir an sich interessant finden, nicht genommen, weil darin weder Mord noch Totschlag noch Sex vorkommen. Für ernsthafte Themen Interesse zu wecken ist immer schwerer geworden. Man wird aber zugeben müssen, dass die Medien lebhafter und schnittiger geworden sind. LWB: Ein typisches Merkmal des Winfried Hofinger ist seine soziale Sensibilität. Woher kommt diese?
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Hofinger: Früher waren in den Dörfern fast alle Bauern, bis auf ein paar Handwerker, den Doktor, den Lehrer und den Pfarrer. Heute gibt es in vielen Dörfern nur mehr ganz wenige Vollerwerbler, während die anderen nur noch von ihren Großeltern wissen, dass diese einen Bauerhof bewirtschafteten. Viele Nebererwerbler erzielen aus ihren meist sehr kleinen Höfen nicht nur kein Einkommen, sondern sie stecken womöglich das, was sie als Maurer oder Kraftfahrer verdienen, in den Kauf einer landwirtschaftlichen Maschine. Es fand eine Reduktion auf wenige statt. Daneben gibt es eine immer größer werdende Gruppe von Leuten, die noch um ihre Wurzeln wissen, und die an ihrem bissl Grund und Boden sehr stark hängen und das unter gar keinen Umständen aufgeben wollen. Im Westen Tirols gibt es eine sehr starke Bindung an die Agrargemeinschaften; diese Anteilsrechte werden mit Zähnen und Klauen verteidigt, oft stärker als ein privater Zipfel Wald.
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Hofinger: Darüber sollte man nicht so viel reden. Unseren Familien ist es, unverdient, immer besser als dem Durchschnitt der Menschen gegangen. Ich habe in allen Schulen, in die ich gegangen bin, sehr viele arme oder benachteiligte Mitschüler gehabt. Meine Eltern haben uns immer gesagt, dass unser relatives Wohlergehen nicht unser Verdienst ist, sondern dass das im Gegenteil die Verpflichtung bringt, sich um die zu kümmern, die in irgendeiner Form zu kurz gekommen sind. Zum Verein KIT, der privaten Initiative zur Heilung der Drogensucht, wo ich seit 27 Jahren im Vorstand bin, stieß ich rein zufällig. LWB: Soziale Sensibilität hat Sie auch in der Kammer in Positionen geführt, unter anderem auch in den Betriebsrat. Was ist da Ihre Erfahrung?
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Von einem durchschnittlichen Betrieb vor 100 Jahren - wir haben gebietsweise geschlossene Höfen von unter zwei Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen - kann man heute nicht leben. Die Flächenerstattung ist bei uns der Minimumfaktor.  
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Hofinger: Ich habe festgestellt, dass Menschen, die sich an und für sich der christlich Soziallehre verpflichtet bezeichneten, mit der Tätigkeit einer Personalvertretung ihre Probleme hatten. Nicht die jetzige Kammerführung, aber ich erinnere brucker Möbelhaus die Bildung eines Betriebsrates verhindert hat. Heute ist der Betriebsrat in der Landwirtschaftskammer anerkannt. Wir haben gemeinsam mit dem Land die Kammerpension auf eine vernünftige Basis gestellt. Es ist damals um hunderte Millionen Schilling, also um die Existenz der Kammer, gegangen.
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LWB: Sie sind nicht nur ein Spezialist für Waldwirtschaft, sondern haben viele Jahre journalistisch für die Kammer gearbeitet. Gibt es auch im Journalismus für Sie Veränderungen?
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Hofinger: Allein in der Technik sind riesige Veränderungen vor sich gegangen. Vor 35 Jahren wurde die Zeitung noch in Blei gegossen. Und das neue Landesstudio Tirol wurde noch als Hörfunkstudio gebaut. Der Journalismus ist insgesamt schreiender, lauter geworden. Man sagte etwas den Zeitungen, und diese hatten das gefälligst abzudrucken. Heute werden Dinge, die wir an sich interessant finden, nicht genommen, weil darin weder Mord noch Totschlag noch Sex vorkommen. Für ernsthafte Themen Interesse zu wecken ist immer schwerer geworden. Man wird aber zugeben müssen, dass die Medien lebhafter und schnittiger geworden sind.
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LWB: Ein typisches Merkmal des Winfried Hofinger ist seine soziale Sensibilität. Woher kommt diese?
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Hofinger: Darüber sollte man nicht so viel reden. Unseren Familien ist es, unverdient, immer besser als dem Durchschnitt der Menschen gegangen. Ich habe in allen Schulen, in die ich gegangen bin, sehr viele arme oder benachteiligte Mitschüler gehabt. Meine Eltern haben uns immer gesagt, dass unser relatives Wohlergehen nicht unser Verdienst ist, sondern dass das im Gegenteil die Verpflichtung bringt, sich um die zu kümmern, die in irgendeiner Form zu kurz gekommen sind. Zum Verein KIT, der privaten Initiative zur Heilung der Drogensucht, wo ich seit 27 Jahren im Vorstand bin, stieß ich rein zufällig.
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LWB: Soziale Sensibilität hat Sie auch in der Kammer in Positionen geführt, unter anderem auch in den Betriebsrat. Was ist da Ihre Erfahrung?
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Hofinger: Ich habe festgestellt, dass Menschen, die sich an und für sich der christlich Soziallehre verpflichtet bezeichneten, mit der Tätigkeit einer Personalvertretung ihre Probleme hatten. Nicht die jetzige Kammerführung, aber ich erinnere mich, wie ein Innsbrucker Möbelhaus die Bildung eines Betriebsrates verhindert hat, von Kammerfunktionären bewundert wurde. Heute ist der Betriebsrat in der Landwirtschaftskammer anerkannt. Wir haben gemeinsam mit dem Land die Kammerpension auf eine vernünftige Basis gestellt. Es ist damals um hunderte Millionen Schilling, also um die Existenz der Kammer, gegangen.
LWB: Sie gehen nach 35 Dienstjahren in den Ruhestand. Welche Perspektiven gibt es für Sie?
LWB: Sie gehen nach 35 Dienstjahren in den Ruhestand. Welche Perspektiven gibt es für Sie?
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[[Kategorie:Tiroler Bauernzeitung]]
[[Kategorie:Winfried Hofinger]]
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[[Kategorie:2001]]
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Version vom 16:58, 27. Feb. 2014

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