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Er wurde im Revolutionsjahr 1848 in Neumarkt in Südtirol geboren; gestorben ist er in Arcco, also etwas weiter südlich, erst 60 Jahre alt, im Jahre 1908, also vor gerade 100 Jahren: der bedeutende Tiroler Naturwissenschafter Joseph Maria Pernter. Sein Lebenslauf ist ein Spiegelbild der politisch und weltanschaulich turbulenten Zeiten, in denen er gelebt hat. Eine nach ihm benannte Perntergasse gibt es im 19. Wiener Bezirk, in der Nähe der "Hohen Warthe", der von ihm zehn Jahre lang geführten Meteorologischen Zentralanstalt. Wenn man bedenkt, nach wem aller, etwa in Innsbruck, Straßen benannt sind ...
Er wurde im Revolutionsjahr 1848 in Neumarkt in Südtirol geboren; gestorben ist er in Arcco, also etwas weiter südlich, erst 60 Jahre alt, im Jahre 1908, also vor gerade 100 Jahren: der bedeutende Tiroler Naturwissenschafter Joseph Maria Pernter. Sein Lebenslauf ist ein Spiegelbild der politisch und weltanschaulich turbulenten Zeiten, in denen er gelebt hat. Eine nach ihm benannte Perntergasse gibt es im 19. Wiener Bezirk, in der Nähe der "Hohen Warthe", der von ihm zehn Jahre lang geführten Meteorologischen Zentralanstalt. Wenn man bedenkt, nach wem aller, etwa in Innsbruck, Straßen benannt sind ...
Am 1. Februar 1909 hielt der Innsbrucker Historiker Josef Hirn vor der Leogesellschaft in Wien, die Pernter mitbegründet hatte, einen bewegenden Nachruf auf seinen am 20. Dezember 1908 verstorbenen Freund Joseph M. Pernter. Beiden war gemeinsam, dass ihre Berufung auf einen Lehrstuhl der Universität - weiI sie praktizierende Katholiken waren - von den Freisinnigen jeweils als ein Angriff auf die "voraussetzungslose" Wissenschaft empfunden wurde. Ein Katholik, so sagten ihre Gegner, müsste ja vor jeder neuen Erkenntnis, jeder neuen Einsicht zuerst im Vatikan nachfragen, ob das, was er gefunden hat, auch mit all den kirchlichen Dogmen übereinstimme.
Am 1. Februar 1909 hielt der Innsbrucker Historiker Josef Hirn vor der Leogesellschaft in Wien, die Pernter mitbegründet hatte, einen bewegenden Nachruf auf seinen am 20. Dezember 1908 verstorbenen Freund Joseph M. Pernter. Beiden war gemeinsam, dass ihre Berufung auf einen Lehrstuhl der Universität - weiI sie praktizierende Katholiken waren - von den Freisinnigen jeweils als ein Angriff auf die "voraussetzungslose" Wissenschaft empfunden wurde. Ein Katholik, so sagten ihre Gegner, müsste ja vor jeder neuen Erkenntnis, jeder neuen Einsicht zuerst im Vatikan nachfragen, ob das, was er gefunden hat, auch mit all den kirchlichen Dogmen übereinstimme.
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Ein anderer Tiroler Wissenschafter, der Priester Aemilian Schöpfer, der Begründer der Tiroler Bauernzeitung (1902) und dann auch Mitbegründer des Tiroler Bauernbundes (1904), lieferte im letzten Jahrzehnt des "finsteren" 19. Jahrhunderts einen schönen Beleg dafür, wie es mit der kirchlichen Disziplin(ierung) in der Praxis auch aussehen konnte: Im selben Monat des Jahres 1893, in dem ein sehr strenges, im Grunde die wörtliche Auslegung der Bibel forderndes Rundschreiben Papst Leo des XIII. verkündet worden war, erschien Schöpfers 550 Seiten starke "Geschichte des Alten Testaments mit besonderer Rücksicht auf das Verhältnis von Bibel und Wissenschaft". Und der gerade einmal 37 Jahre alte Brixener Alt-testamentler stellt 1895 in der zweiten Auflage dieses seines Buches in bewusster Anspielung auf das päpstliche Rundschreiben unter anderem unbekümmert fest, es wäre "... ein sehr gewagtes, die Ehre des göttlichen Wortes mitunter schädigendes Unterfangen, wenn man mit Berufung auf Bibelworte über Gegenstände der Naturwissenschaften Thesen aufstellt". Schöpfer wurde daraufhin nicht etwa abberufen, nicht verboten - sein Buch erlebte bis 1923 sechs Auflagen!
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Ein anderer Tiroler Wissenschafter, der Priester Aemilian Schöpfer, der Begründer der Tiroler Bauernzeitung (1902) und dann auch Mitbegründer des Tiroler Bauernbundes (1904), lieferte im letzten Jahrzehnt des "finsteren" 19. Jahrhunderts einen schönen Beleg dafür, wie es mit der kirchlichen Disziplin(ierung) in der Praxis auch aussehen konnte: Im selben Monat des Jahres 1893, in dem ein sehr strenges, im Grunde die wörtliche Auslegung der Bibel forderndes Rundschreiben Papst Leo des XIII. verkündet worden war, erschien Schöpfers 550 Seiten starke "Geschichte des Alten Testaments mit besonderer Rücksicht auf das Verhältnis von Bibel und Wissenschaft". Und der gerade einmal 37 Jahre alte Brixener Alttestamentler stellt 1895 in der zweiten Auflage dieses seines Buches in bewusster Anspielung auf das päpstliche Rundschreiben unter anderem unbekümmert fest, es wäre "... ein sehr gewagtes, die Ehre des göttlichen Wortes mitunter schädigendes Unterfangen, wenn man mit Berufung auf Bibelworte über Gegenstände der Naturwissenschaften Thesen aufstellt". Schöpfer wurde daraufhin nicht etwa abberufen, nicht verboten - sein Buch erlebte bis 1923 sechs Auflagen!
Katholik und Gelehrter
Katholik und Gelehrter
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Josef Hirn war Historiker, und er wurde vom Freisinn ziemlich rau behandelt. (Seine Arbeiten zum Jahr 1809 werden in den kommenden Jahren wieder öfters zitiert werden; das Buch "Tirols Erhebung im Jahre 1809" wurde 1984 neu gedruckt.) Es sind die Geschichtswissenschaft und ihre Ergebnisse natürlich mehr als die der Naturwissenschaften von den persönlichen Ansichten eines Gelehrten geprägt. Ein unkritisch getreues Kind der Kirche, wie der ebenfalls in Innsbruck lehrende Ludwig Rastor, schreibt eine andere Papstgeschichte als ein erklärter Kirchenfeind-was Rastor sehr deutlich in Innsbruck vom Historiker Julius von Ficker und von anderen Gelehrten weitum vorgeworfen wurde.
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Josef Hirn war Historiker, und er wurde vom Freisinn ziemlich rau behandelt. (Seine Arbeiten zum Jahr 1809 werden in den kommenden Jahren wieder öfters zitiert werden; das Buch "Tirols Erhebung im Jahre 1809" wurde 1984 neu gedruckt.) Es sind die Geschichtswissenschaft und ihre Ergebnisse natürlich mehr als die der Naturwissenschaften von den persönlichen Ansichten eines Gelehrten geprägt. Ein unkritisch getreues Kind der Kirche, wie der ebenfalls in Innsbruck lehrende Ludwig Pastor, schreibt eine andere Papstgeschichte als ein erklärter Kirchenfeind - was Pastor sehr deutlich in Innsbruck vom Historiker Julius von Ficker und von anderen Gelehrten weitum vorgeworfen wurde.
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Pernter bestritt in vielen Schriften und Zeitungsartikeln, dass sein (starker persönlicher) Christenglaube in irgendeiner Weise mit den Ergebnissen seiner naturwissenschaftlichen Forschungen in Widerspruch geraten könnte. Um 1890 schrieb er darüber in mehreren Artikeln in Zeitschriften und Zeitungen in Innsbruck. Im Jahre 1902 - da war er schon "Di-rector der Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus" und "Ordentlicher Professor für Physik der Erde" in Wien - erschien eine nur 32 Seiten dünne Broschüre "Voraussetzungslose Forschung. Freie Wissenschaft und Katholicismus". Er stellt da die Gegenfrage, ob jemand, der - wie damals allgemein üblich - die Eignung eines Katholiken für die Einnahme eines wissenschaftlichen Lehrstuhl rundweg bestreitet, nicht selbst, wenn er so etwas behauptet, soeben den Beweis dafür erbringt, dass er im höchsten Maß befangen und geprägt von Vorurteilen und Voraussetzungen ist. Dann stellt er erneut, wie schon 1891 in den "Neuen Tiroler Stimmen", fest, dass es zwischen bewiesenen Erkenntnissen der Naturwissenschaften und den katholischen Dog-
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Pernter bestritt in vielen Schriften und Zeitungsartikeln, dass sein (starker persönlicher) Christenglaube in irgendeiner Weise mit den Ergebnissen seiner naturwissenschaftlichen Forschungen in Widerspruch geraten könnte. Um 1890 schrieb er darüber in mehreren Artikeln in Zeitschriften und Zeitungen in Innsbruck. Im Jahre 1902 - da war er schon "Director der Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus" und "Ordentlicher Professor für Physik der Erde" in Wien - erschien eine nur 32 Seiten dünne Broschüre "Voraussetzungslose Forschung. Freie Wissenschaft und Katholicismus". Er stellt da die Gegenfrage, ob jemand, der - wie damals allgemein üblich - die Eignung eines Katholiken für die Einnahme eines wissenschaftlichen Lehrstuhl rundweg bestreitet, nicht selbst, wenn er so etwas behauptet, soeben den Beweis dafür erbringt, dass er im höchsten Maß befangen und geprägt von Vorurteilen und Voraussetzungen ist. Dann stellt er erneut, wie schon 1891 in den "Neuen Tiroler Stimmen", fest, dass es zwischen bewiesenen Erkenntnissen der Naturwissenschaften und den katholischen Dog-
Pernters Schrift "Voraussetzungslose Forschung".
Pernters Schrift "Voraussetzungslose Forschung".

Version vom 15:43, 19. Feb. 2014

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