Aus Holzknecht

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Die "Saliera" war 1945 in St. Johann
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Die "Saliera" war 1945 in St. Johann
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Das ganze Jahr 2005 über wurde gefeiert, dass der Weltkrieg Nr. 2 nun schon seit 60 Jahren vorbei ist. Auch der wunderbaren Rettung der Kunstschätze in den Bergwerken im Ausseerland und anderswo wurde gedacht. Dass darunter auch das berühmte Salzfass von Ben-venuto Cellini war - daran erinnerte man sich 2005 in Wien nicht so gerne, weil dieses ja seit 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum verschwunden war.
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Das ganze Jahr 2005 über wurde gefeiert, dass der Weltkrieg Nr. 2 nun schon seit 60 Jahren vorbei ist. Auch der wunderbaren Rettung der Kunstschätze in den Bergwerken im Ausseerland und anderswo wurde gedacht. Dass darunter auch das berühmte Salzfass von Benvenuto Cellini war - daran erinnerte man sich 2005 in Wien nicht so gerne, weil dieses ja seit 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum verschwunden war.
Anfang 2006 war wieder alles eitel Wonne - die "Saliera", oder, wie die Innenministerin sagte, "die Sali", war wieder aufgetaucht. Ein Spezialist für Alarmanlagen, der sich offenbar über die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen im Kunsthistorischen lustig machen wollte, hat die Saliera zuerst geraubt und sie dann wieder hergegeben. Sie lag zuletzt in einer Kiste im Waldviertel gut vergraben, nachdem Herr Mang sie vorher jahrelang in seiner Wiener Wohnung unter der Bettstatt aufbewahrt hatte.
Anfang 2006 war wieder alles eitel Wonne - die "Saliera", oder, wie die Innenministerin sagte, "die Sali", war wieder aufgetaucht. Ein Spezialist für Alarmanlagen, der sich offenbar über die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen im Kunsthistorischen lustig machen wollte, hat die Saliera zuerst geraubt und sie dann wieder hergegeben. Sie lag zuletzt in einer Kiste im Waldviertel gut vergraben, nachdem Herr Mang sie vorher jahrelang in seiner Wiener Wohnung unter der Bettstatt aufbewahrt hatte.
Aus dem Tagebuch meiner Mutter Elsa Hofinger geborene Greiter (1904 - 1992), geschrieben im Frühjahr 1945 in St. Johann in Tirol: "Ich selbst durfte einmal den Keller besuchen. Es war furchtbar. Die wertvollsten Stücke standen nur so herum, vor Dürers mannshoher Dreifaltigkeit konnte ich nur mühsam herumschleichen, das prächtige Salzfass von Cellini stand nur so auf einer Kiste, wäre jemand gestolpert, es wäre zerbrochen."
Aus dem Tagebuch meiner Mutter Elsa Hofinger geborene Greiter (1904 - 1992), geschrieben im Frühjahr 1945 in St. Johann in Tirol: "Ich selbst durfte einmal den Keller besuchen. Es war furchtbar. Die wertvollsten Stücke standen nur so herum, vor Dürers mannshoher Dreifaltigkeit konnte ich nur mühsam herumschleichen, das prächtige Salzfass von Cellini stand nur so auf einer Kiste, wäre jemand gestolpert, es wäre zerbrochen."
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Todesstrafe angedroht
Todesstrafe angedroht
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Das war am 16. Mai. So schnell, wie das damals halt möglich war, fuhr unser Vater nach Innsbruck, wo er mit Landesrat Dr. Hans Gam-per zusammentraf; Landeshauptmann Gruber war nicht erreichbar. Am 19. Mai war Gamper in St. Johann. Er wollte die Schätze am Dienstag nach Pfingsten, am 23. Mai, nach Innsbruck abtransportieren. Daraus wurde aber nichts: Der Bürgermeister wurde schon vorher ins amerikanische Kommando gerufen. Dort eröffnete man ihm, dass deutsche Offiziere, darunter ein Ritterkreuzträger, den Amerikanern von den Kunstschätzen Meldung gemacht hätten. Als Hofinger daraufhin sagte, dass er bereits seit dem 16. Mai alles wisse, wurde er beschimpft. Er hätte nicht den Tirolern im Landhaus, sondern den hiesigen amerikanischen Behörden Meldung machen müssen. Darauf sagte er: "Ich hatte die Pflicht, die Schätze meinem Vaterland zu erhalten." Die Amerikaner: "Wissen Sie, dass auf der Geheimhaltung solcher Werte die Todesstrafe steht?" Hofinger: "Erst ab dem 5. Juni. Bis dort sollten die Schätze längst in Innsbruck sein."
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Das war am 16. Mai. So schnell, wie das damals halt möglich war, fuhr unser Vater nach Innsbruck, wo er mit Landesrat Dr. Hans Gamper zusammentraf; Landeshauptmann Gruber war nicht erreichbar. Am 19. Mai war Gamper in St. Johann. Er wollte die Schätze am Dienstag nach Pfingsten, am 23. Mai, nach Innsbruck abtransportieren. Daraus wurde aber nichts: Der Bürgermeister wurde schon vorher ins amerikanische Kommando gerufen. Dort eröffnete man ihm, dass deutsche Offiziere, darunter ein Ritterkreuzträger, den Amerikanern von den Kunstschätzen Meldung gemacht hätten. Als Hofinger daraufhin sagte, dass er bereits seit dem 16. Mai alles wisse, wurde er beschimpft. Er hätte nicht den Tirolern im Landhaus, sondern den hiesigen amerikanischen Behörden Meldung machen müssen. Darauf sagte er: "Ich hatte die Pflicht, die Schätze meinem Vaterland zu erhalten." Die Amerikaner: "Wissen Sie, dass auf der Geheimhaltung solcher Werte die Todesstrafe steht?" Hofinger: "Erst ab dem 5. Juni. Bis dort sollten die Schätze längst in Innsbruck sein."
Die Amerikaner verpackten die Sachen bald einmal fachgemäß. Sie luden alles auf Lastwägen. Dem Bürgermeister stellten sie eine englisch gehaltene Quittung aus, die sich in unserer Familie bis heute erhalten hat: "Brueggel" (!) ist gleich neunmal vertreten: "Return of the Herd" (also: "Rückkehr der Herde"); "Tower of Babel" (Turmbau zu Babel), "Saint Paul", "Peasant Dance" (Bauerntanz), und "Peasant Wedding", bei uns als "Bauernhochzeit" bekannt. Von Tizian (hier "Titian" geschrieben) die "Kirsch Madonna" und neun weitere Bilder. Von Dürer das "Allerheiligenbild" und "Kaiser Maximilian" mit dem Granatapfel. Von Rembrandt ein großes und ein kleines Selbstporträt; von Rubens "Jerome", bei uns als Hieronymus bekannter.
Die Amerikaner verpackten die Sachen bald einmal fachgemäß. Sie luden alles auf Lastwägen. Dem Bürgermeister stellten sie eine englisch gehaltene Quittung aus, die sich in unserer Familie bis heute erhalten hat: "Brueggel" (!) ist gleich neunmal vertreten: "Return of the Herd" (also: "Rückkehr der Herde"); "Tower of Babel" (Turmbau zu Babel), "Saint Paul", "Peasant Dance" (Bauerntanz), und "Peasant Wedding", bei uns als "Bauernhochzeit" bekannt. Von Tizian (hier "Titian" geschrieben) die "Kirsch Madonna" und neun weitere Bilder. Von Dürer das "Allerheiligenbild" und "Kaiser Maximilian" mit dem Granatapfel. Von Rembrandt ein großes und ein kleines Selbstporträt; von Rubens "Jerome", bei uns als Hieronymus bekannter.
In den neun Verpackungskisten war die "Saliera" von Benvenuto Cellini, damals eher noch das "Salzfass von Benvenuto Cellini" genannt. Über den Inhalt der Kisten steht an sich nichts in der Liste - aber weil meine Mutter, laut ihrem Tagebuch, fast über die Saliera gestolpert wäre, und weil sie nun, mit einer Unterbrechung von 2003 bis Anfang 2006, wieder im Kunsthistorischen steht, muss sie in einer der Kisten die Fahrt von St. Johann zurück in den Osten angetreten haben.
In den neun Verpackungskisten war die "Saliera" von Benvenuto Cellini, damals eher noch das "Salzfass von Benvenuto Cellini" genannt. Über den Inhalt der Kisten steht an sich nichts in der Liste - aber weil meine Mutter, laut ihrem Tagebuch, fast über die Saliera gestolpert wäre, und weil sie nun, mit einer Unterbrechung von 2003 bis Anfang 2006, wieder im Kunsthistorischen steht, muss sie in einer der Kisten die Fahrt von St. Johann zurück in den Osten angetreten haben.
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Nachwort des Verfassers: Wem diese Schilderung zu eingebildet erscheint, der hat ganz recht. Wir sind aber in der Tat sehr stolz darauf, wie unser Vater damals durch Besonnenheit und Mut eine so aufregende, für die ganze an Kunst interessierte Welt bedeutende Geschichte zu einem so guten Ende geführt hat.
Nachwort des Verfassers: Wem diese Schilderung zu eingebildet erscheint, der hat ganz recht. Wir sind aber in der Tat sehr stolz darauf, wie unser Vater damals durch Besonnenheit und Mut eine so aufregende, für die ganze an Kunst interessierte Welt bedeutende Geschichte zu einem so guten Ende geführt hat.
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Aktuelle Version vom 10:10, 18. Feb. 2014

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