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| autor = Winfried Hofinger
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| medium = Tiroler Tageszeitung
| texttyp = Kommentar
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| erscheinungsdatum= ?1968
| erscheinungsdatum= ?1968
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In Amerika ist unlängst ein Buch erschienen, das sich mit dem Hunger in der Welt befaßt. Auf Grund eingehender Untersuchungen sagen darin die Brüder William und Paul Paddock eine permanente Hungersnot für die Zeit um 1975 voraus.
In Amerika ist unlängst ein Buch erschienen, das sich mit dem Hunger in der Welt befaßt. Auf Grund eingehender Untersuchungen sagen darin die Brüder William und Paul Paddock eine permanente Hungersnot für die Zeit um 1975 voraus.
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Daß es am Ende des 20. Jahrhunderts zu weltweiten Hungersnöten kommen wird, haben schon andere als die Brüder Paddock errechnet. Neu und aufwühlend sind die Schlußfolgerungen, die sie aus der Tatsache, daß bald nicht mehr alle Völker ernährt werden können, gezogen haben. Es wird den Industriestaaten unmöglich sein, in der ,,Stunde der Wahrheit" allen Hungernden zu helfen. Daher sollen möglichst bald Kriterien erarbeitet werden, nach denen man sich bei der Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel richten wird. Es sollte objektiv und leidenschaftslos festgestellt werden, welche Völker - mit einem relativen Minimum an fremder Hilfe überleben können und welche auf Grund ihrer Unfähigkeit, auch nur einen bescheidenen Grad von Selbstversorgung zu erreichen, praktisch hoffnungslos ihrem Schicksal ausgeliefert sind ...
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Daß es am Ende des 20. Jahrhunderts zu weltweiten Hungersnöten kommen wird, haben schon andere als die Brüder Paddock errechnet. Neu und aufwühlend sind die Schlußfolgerungen, die sie aus der Tatsache, daß bald nicht mehr alle Völker ernährt werden können, gezogen haben. Es wird den Industriestaaten unmöglich sein, in der ,,Stunde der Wahrheit" allen Hungernden zu helfen. Daher sollen möglichst bald Kriterien erarbeitet werden, nach denen man sich bei der Verteilung der vorhandenen Nahrungsmittel richten wird. Es sollte objektiv und leidenschaftslos festgestellt werden, welche Völker - mit einem relativen Minimum an fremder Hilfe - überleben können und welche auf Grund ihrer Unfähigkeit, auch nur einen bescheidenen Grad von Selbstversorgung zu erreichen, praktisch hoffnungslos ihrem Schicksal ausgeliefert sind ...
Das liest sich wie das Drehbuch zu einem Gruselfilm: In irgendeinem Büro in den USA sitzen ein paar Dutzend Fachleute beisammen, sie wägen ab, ob dieses oder jenes Volk noch zu ernähren wert sei oder ob man es (natürlich anderen zuliebe) nicht besser abschreibe. Nach objektiven Gesichtspunkten wird der Tod (der Hungertod) von Millionen Menschen beschlossen.
Das liest sich wie das Drehbuch zu einem Gruselfilm: In irgendeinem Büro in den USA sitzen ein paar Dutzend Fachleute beisammen, sie wägen ab, ob dieses oder jenes Volk noch zu ernähren wert sei oder ob man es (natürlich anderen zuliebe) nicht besser abschreibe. Nach objektiven Gesichtspunkten wird der Tod (der Hungertod) von Millionen Menschen beschlossen.
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Vermutlich wird aus Angst vor der Verantwortung ein Computer die letzte Ent-scheidung übernehmen müssen. Damit wird die Verantwortung vom Menschen aber nicht weggenommen, sondern nur auf eine andere Ebene verlegt; verteilt auf die vielen, die die Rechenanlagen mit den Daten der armen Völker füttern, und auf jene, die den Maßstab ausarbeiten, der an die Hungernden gelegt wird.
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Vermutlich wird aus Angst vor der Verantwortung ein Computer die letzte Entscheidung übernehmen müssen. Damit wird die Verantwortung vom Menschen aber nicht weggenommen, sondern nur auf eine andere Ebene verlegt; verteilt auf die vielen, die die Rechenanlagen mit den Daten der armen Völker füttern, und auf jene, die den Maßstab ausarbeiten, der an die Hungernden gelegt wird.
Sollte diese Prognose zutreffen, dann würde ein Völkersterben eintreten, gegen das die beiden letzten Weltkriege Sandkastenspiele sind ...
Sollte diese Prognose zutreffen, dann würde ein Völkersterben eintreten, gegen das die beiden letzten Weltkriege Sandkastenspiele sind ...
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Niemand weiß, ob es wirklich so kommen wird. Daß man aber unter Fachleuten die kommenden Hungersnöte als völlig sicher eintreffend bezeichnet, sollte doch zu denken geben. Die derzeitige Überproduktion auf manchen Gebieten der heimischen Landwirtschaft sollte man nun eigentlich mit einem befreienden Aufatmen registrieren: Wir werden in künftige Überlegungen, wer verhungern soll und wer nicht, jedenfalls nicht einbezogen, weil wir uns in Österreich selbst ernähren können.
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Niemand weiß, ob es wirklich so kommen wird. Daß man aber unter Fachleuten die kommenden Hungersnöte als völlig sicher eintreffend bezeichnet, sollte doch zu denken geben. Die derzeitige Überproduktion auf manchen Gebieten der heimischen Landwirtschaft sollte man nun eigentlich mit einem befreienden Aufatmen registrieren: Wir werden in künftige Überlegungen, wer verhungern soll und wer nicht, jedenfalls nicht einbezogen, weil wir uns in Österreich selbst ernähren können.
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[[Kategorie:Tiroler Tageszeitung]]
[[Kategorie:Dritte Welt]]
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[[Kategorie:Ernährung]]
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[[Kategorie:1968]]
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Aktuelle Version vom 16:11, 19. Feb. 2014

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