Aus Holzknecht

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| autor = Winfried Hofinger
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| medium = Tiroler Bauernzeitung [[Kategorie:Tiroler Bauernzeitung]] 
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| medium = Tiroler Bauernzeitung
| texttyp = Kommentar
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| erscheinungsdatum= 6. April 2000
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Bevor es andere herausbekommen, bekenne ich es lieber selbst: Im Jahre 1944 habe ich mich im Kindergarten täglich vor dem Essen mit den anderen in Reih und Glied aufgestellt. Gemeinsam haben wir auf Befehl die rechte Hand ausgestreckt und statt eines Tischgebetes zum Bild des Schnauzbärtigen hinaufgerufen: Wir danken unserem Führer! Beim Schuleintritt im Herbst 1945 habe ich diesen offenbaren Mangel an antifaschistischer Gesinnung ebenso verschwiegen wie an allen weiteren wichtigen Lebensstationen.
Bevor es andere herausbekommen, bekenne ich es lieber selbst: Im Jahre 1944 habe ich mich im Kindergarten täglich vor dem Essen mit den anderen in Reih und Glied aufgestellt. Gemeinsam haben wir auf Befehl die rechte Hand ausgestreckt und statt eines Tischgebetes zum Bild des Schnauzbärtigen hinaufgerufen: Wir danken unserem Führer! Beim Schuleintritt im Herbst 1945 habe ich diesen offenbaren Mangel an antifaschistischer Gesinnung ebenso verschwiegen wie an allen weiteren wichtigen Lebensstationen.
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Spaß beiseite. Es ist barer Unsinn, wenn Leute, die damals noch gar nicht auf der Welt waren, heftig beklagen, wie sehr ihre Großvater gefehlt haben. Die heutige Sozialdemokratie sollte bekennen, dass sie jetzt mitschuldig ist an der Tatsache, dass Österreich für Entwicklungshilfe so gut wie nichts ausgibt. Sie sollte eine maßvolle Pensionsreform nicht bekämpfen, sondern vertreten, dass die jetzt zur Pensionierung anstehende Generation die künftigen nicht berauben darf. Wir alle sollten bekennen, und daraus Konsequenzen ziehen, dass unsere Welt eine überaus ungerechte ist. Darüber sollten wir nachdenken: Ob es vertretbar ist, dass jeder von uns im Monat so viel verdient wie der tschechische, rumänische, bulgarische Kollege im Jahr. Aber es ist das Nachdenken darüber, und das Ziehen von Konsequenzen daraus unvergleichlich härter - als sich darüber zu erregen, dass mancher Hausmeister, Lehrer, Agraringenieur, der vor 1945 ein schäbiger Mitläufer war, im Sommer 1945 in die SPÖ (oder gar in die ÖVP) aufgenommen wurde.
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Spaß beiseite. Es ist barer Unsinn, wenn Leute, die damals noch gar nicht auf der Welt waren, heftig beklagen, wie sehr ihre Großväter gefehlt haben. Die heutige Sozialdemokratie sollte bekennen, dass sie jetzt mitschuldig ist an der Tatsache, dass Österreich für Entwicklungshilfe so gut wie nichts ausgibt. Sie sollte eine maßvolle Pensionsreform nicht bekämpfen, sondern vertreten, dass die jetzt zur Pensionierung anstehende Generation die künftigen nicht berauben darf. Wir alle sollten bekennen, und daraus Konsequenzen ziehen, dass unsere Welt eine überaus ungerechte ist. Darüber sollten wir nachdenken: Ob es vertretbar ist, dass jeder von uns im Monat so viel verdient wie der tschechische, rumänische, bulgarische Kollege im Jahr. Aber es ist das Nachdenken darüber, und das Ziehen von Konsequenzen daraus unvergleichlich härter - als sich darüber zu erregen, dass mancher Hausmeister, Lehrer, Agraringenieur, der vor 1945 ein schäbiger Mitläufer war, im Sommer 1945 in die SPÖ (oder gar in die ÖVP) aufgenommen wurde.
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[[Kategorie:Tiroler Bauernzeitung]]
[[Kategorie:Nationalsozialismus]]
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[[Kategorie:2000]]
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Aktuelle Version vom 07:37, 18. Feb. 2014

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