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| autor = Winfried Hofinger
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| erscheinungsdatum= ?2005
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In der Mitte des 19. Jahrhunderts zogen so genannte Eigentumspurifikationskommissionen durch das Land. Vornehmlich um die Grundlagen für die Besteuerung von Grund und Boden zu schaffen, sprachen sie jedem Grundstück eine Ertragsklasse und einen Eigentümer zu. Es wird berichtet, dass damals die Gerloser sogar den Kaiser in Wien bemüht haben, er solle in seiner Güte allen Wald und auch die Wiesen um ihren (damals bettelarmen) Ort in das Eigentum des Ärars übernehmen, weil sie nie in der Lage wären, Grundsteuern zu zahlen. Das ist geschehen, und daher reicht heute der Staatsbesitz bis an die Garagen der Gerloser Hotels. Niemand würde es einfallen, die damals erfolgten Feststellungen (mit der Begründung, dass sich die Zustände grundlegend geändert haben) zu bekämpfen.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts zogen so genannte Eigentumspurifikationskommissionen durch das Land. Vornehmlich um die Grundlagen für die Besteuerung von Grund und Boden zu schaffen, sprachen sie jedem Grundstück eine Ertragsklasse und einen Eigentümer zu. Es wird berichtet, dass damals die Gerloser sogar den Kaiser in Wien bemüht haben, er solle in seiner Güte allen Wald und auch die Wiesen um ihren (damals bettelarmen) Ort in das Eigentum des Ärars übernehmen, weil sie nie in der Lage wären, Grundsteuern zu zahlen. Das ist geschehen, und daher reicht heute der Staatsbesitz bis an die Garagen der Gerloser Hotels. Niemand würde es einfallen, die damals erfolgten Feststellungen (mit der Begründung, dass sich die Zustände grundlegend geändert haben) zu bekämpfen.
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Über fünfzig Jahre später wurde in Tirol mit großer Verspätung das Grundbuch angelegt. Über die Frage, wer denn bei den so genannten Teilwäldern - die es sonst nirgends auf der Welt gibt - als Grundeigentümer in die neuen Grundbücher einzutragen sei, wurde heftig gestritten. Fast überall wurden, trotz des Widerstandes der zumeist kleinbäuerlichen Waldbesitzer, die Gemeinden zu Grundeigentümern erklärt. Fast überall. In Roppen sind die Teilwaldberechtigten auch die Grundeigentümer. Warum? - Weil sie sich unter Führung des Arztes Peter Paul Pfausler erfolgreich gegen die Wegnahme der Teilwälder, die ihnen immer gehört haben, gewehrt haben. Nachzulesen für jedermann im Grundbuchsanlegungsprotokoll von Roppen im Landesarchiv. Und nun gibt es in Roppen Privatwald, wie er in den meisten Gemeinden im Unterland üblich ist. Und in den meisten gemeinden um Roppen herum gibt es Teilwald, wo die Gemeinde Grundeigentümer ist und den Berechtigten nur das gehört, was darauf wächst. Niemand kann das heute ändern.
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Über fünfzig Jahre später wurde in Tirol mit großer Verspätung das Grundbuch angelegt. Über die Frage, wer denn bei den so genannten Teilwäldern - die es sonst nirgends auf der Welt gibt - als Grundeigentümer in die neuen Grundbücher einzutragen sei, wurde heftig gestritten. Fast überall wurden, trotz des Widerstandes der zumeist kleinbäuerlichen Waldbesitzer, die Gemeinden zu Grundeigentümern erklärt. Fast überall. In Roppen sind die Teilwaldberechtigten auch die Grundeigentümer. Warum? - Weil sie sich unter Führung des Arztes Peter Paul Pfausler erfolgreich gegen die Wegnahme der Teilwälder, die ihnen immer gehört haben, gewehrt haben. Nachzulesen für jedermann im Grundbuchsanlegungsprotokoll von Roppen im Landesarchiv. Und nun gibt es in Roppen Privatwald, wie er in den meisten Gemeinden im Unterland üblich ist. Und in den meisten Gemeinden um Roppen herum gibt es Teilwald, wo die Gemeinde Grundeigentümer ist und den Berechtigten nur das gehört, was darauf wächst. Niemand kann das heute ändern.
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Rund fünfzig Jahre später wurde das Gemeindegut reguliert. Der "Haus- und Gutsbedarf" und vieles andere klang zwar schön, war aber schwerlich gerecht anzuwenden. Daher wurden die Rechte in ihrem Umfang und in der Art ihrer Ausübung neu festgeschrieben. Unabhängig davon beschlossen damals viele der betroffenen Gemeinden, auch gleich das Grundeigentum den neu gebildeten Agrargemeinschaften zu übertragen. Ob eine solche Grundübertragung tatsächlich erfolgte, hing nicht immer davon ab, ob der Bürgermeister auch ein Bauer war, ob er Bezugsrechte am Gemeindegut hatte. Es gibt nach wie vor viele Agrargemeinschaften auf Gemeindegrund. Unreguliertes Gemeindegut gibt es fast nirgends mehr. Viele Agrargemeinschaften hatten nie etwas mit dem Gemeindegut zu tun, beispielsweise die vielen Gemeinschaftsalmen im Unterland.
Rund fünfzig Jahre später wurde das Gemeindegut reguliert. Der "Haus- und Gutsbedarf" und vieles andere klang zwar schön, war aber schwerlich gerecht anzuwenden. Daher wurden die Rechte in ihrem Umfang und in der Art ihrer Ausübung neu festgeschrieben. Unabhängig davon beschlossen damals viele der betroffenen Gemeinden, auch gleich das Grundeigentum den neu gebildeten Agrargemeinschaften zu übertragen. Ob eine solche Grundübertragung tatsächlich erfolgte, hing nicht immer davon ab, ob der Bürgermeister auch ein Bauer war, ob er Bezugsrechte am Gemeindegut hatte. Es gibt nach wie vor viele Agrargemeinschaften auf Gemeindegrund. Unreguliertes Gemeindegut gibt es fast nirgends mehr. Viele Agrargemeinschaften hatten nie etwas mit dem Gemeindegut zu tun, beispielsweise die vielen Gemeinschaftsalmen im Unterland.
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Die Übertragung des Eigentums von den Gemeinden an die neuen Agrargemeinschaften war ohne Zweifel eine gewaltige Änderung der Eigentumskarte des Landes. Sie erfolgte freiwillig, einmütig und im Einklang mit den geltenden Gesetzen. Diesen Vorgang heute als kriminell zu bezeichnen, ist kriminell - und es kann sich so eine Aussage wohl nur jemand leisten, der im Schatten der parlamentarischen Immunität lebt und werkt. Wer Verträge, Behördenakte, Testamentsvollzüge und anderes nach vielen Jahren ihres Bestandes bekämpft, weil sich halt die Umstände, die für die Begründung dieser Akte entscheidend waren, geändert haben, rüttelt an den Grundfesten unseres Rechtsstaates.
Die Übertragung des Eigentums von den Gemeinden an die neuen Agrargemeinschaften war ohne Zweifel eine gewaltige Änderung der Eigentumskarte des Landes. Sie erfolgte freiwillig, einmütig und im Einklang mit den geltenden Gesetzen. Diesen Vorgang heute als kriminell zu bezeichnen, ist kriminell - und es kann sich so eine Aussage wohl nur jemand leisten, der im Schatten der parlamentarischen Immunität lebt und werkt. Wer Verträge, Behördenakte, Testamentsvollzüge und anderes nach vielen Jahren ihres Bestandes bekämpft, weil sich halt die Umstände, die für die Begründung dieser Akte entscheidend waren, geändert haben, rüttelt an den Grundfesten unseres Rechtsstaates.
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Zu seiner Entschuldigung kann man nur anführen, dass die Materie insgesamt höchst kompliziert ist; dass sie von nur ganz wenigen Leuten im Lande gekannt und verstanden wird; Ich schätze es sind keine zwei dutzend. Oder können sie genau sagen, was ein Teilwald ist? Nur einmal in meinem Berufsleben war ich in einem Unterausschuss des Landtages. Als das Flurverfassungsgesetz nach dem Spruch des VwGH 1981 geändert werden musste. Ich hatte den Eindruck, dass nicht einer der zehn anwesenden Abgeordneten wirklich verstanden hat, was sie da beschlossen haben. Und doch ist ihr Beschluss geltendes Recht. Und wer das bezweifelt, ist ein Anarchist.
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Zu seiner Entschuldigung kann man nur anführen, dass die Materie insgesamt höchst kompliziert ist; dass sie von nur ganz wenigen Leuten im Lande gekannt und verstanden wird; ich schätze es sind keine zwei Dutzend. Oder können sie genau sagen, was ein Teilwald ist? Nur einmal in meinem Berufsleben war ich in einem Unterausschuss des Landtages. Als das Flurverfassungsgesetz nach dem Spruch des VwGH 1981 geändert werden musste. Ich hatte den Eindruck, dass nicht einer der zehn anwesenden Abgeordneten wirklich verstanden hat, was sie da beschlossen haben. Und doch ist ihr Beschluss geltendes Recht. Und wer das bezweifelt, ist ein Anarchist.
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[[Kategorie:Tiroler Tageszeitung]]
[[Kategorie:Agrargemeinschaften]]
[[Kategorie:Agrargemeinschaften]]
[[Kategorie:Agrargeschichte]]
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[[Kategorie:2005]]
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Aktuelle Version vom 19:19, 26. Feb. 2014

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